Bundesgerichtshof (BGH)
Mietkündigungsfristen in Altverträgen wirksam
Urteil vom 18.06.2003
Der für das Wohnungsmietrecht zuständige VIII. Zivilsenat des BGH hatte in vier Fällen darüber zu befinden, inwieweit die gesetzliche Neuregelung der kurzen Dreimonatsfrist für die Kündigung einer Wohnung durch den Mieter für vor dem 1. September 2001 abge- schlossene Mietverträge gilt.
Der BGH hat entschieden, daß in solchen Verträgen enthaltene Formularklauseln, in denen die damaligen - nach Mietdauer gestaf- felten - gesetzlichen Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß wiedergegeben wurden, fortgelten und nicht nach § 573 c Abs. 4 BGB unwirksam sind.
Den Entscheidungen lagen vor dem 1. September 1996 bzw. vor dem 1. September 1991 abgeschlossene Mietverträge zugrunde, die in einer Formularklausel die für eine ordentliche Kündigung da- mals geltenden Fristen des § 565 Abs. 2 BGB wörtlich oder sinngemäß wiederholten. Danach betrug die Kündigungsfrist für den Mieter und den Vermieter bei einer Mietdauer von bis zu fünf Jahren drei Monate, danach sechs Monate, ab dem achten Jahr neun Monate und nach zehn Jahren Mietdauer ein Jahr.
Durch das am 1. September 2001 in Kraft getretene Mietrechts- reformgesetz sind die gesetzlichen Fristen für die ordentliche Kündi- gung eines auf unbestimmte Zeit abgeschlossenen Mietvertrages geändert worden. Der an die Stelle von § 565 Abs. 2 BGB getre- tene neue § 573 c Abs. 1 BGB sieht für die Kündigung des Mieters unabhängig von der Mietdauer eine Frist von drei Monaten vor. Eine Vereinbarung, die davon zum Nachteil des Mieters abweicht, ist unwirksam (§ 573 c Abs. 4 BGB). Die Übergangsvorschrift des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB bestimmt dazu, daß § 573 c Abs. 4 BGB keine Anwendung findet, wenn (von § 573 c Abs. 1 BGB abweichende) Kündigungsfristen vor dem 1. September 2001 "durch Vertrag vereinbart" worden sind.
In allen vier Fällen hatten die Mieter nach Inkrafttreten der Gesetzes- änderung ihre Mietverträge gekündigt und sich auf den Standpunkt gestellt, daß dadurch ihr Mietverhältnis mit Ablauf der dreimonatigen Kündigungsfrist des § 573 c Abs. 1 BGB beendet worden sei.
Die Vermieter vertraten demgegenüber die Auffassung, daß die sich aus den Mietverträgen ergebende längere Kündigungsfrist fortgelte und deshalb das Mietverhältnis entsprechend länger fortbestehe.
Der BGH ist der Auffassung, die in den Mietverträgen enthaltenen Kündigungsfristen seien hier weiterhin maßge- bend, weil eine vor dem 1. September 2001 getroffene vertragliche Vereinbarung über die Kündigungsfristen - im Sinne des Art. 229 § 3 Abs. 10 EGBGB - auch dann vorliege, wenn in einer Formular- klausel die früheren gesetzlichen Kündigungsfristen wörtlich oder sinngemäß wiedergegeben wurden. Dies ergebe sich nicht nur aus dem Wortlaut der Übergangsvorschrift und ihrem sachlichen Zusam- menhang mit § 573 c Abs. 4 BGB, sondern auch aus der Begrün- dung des Gesetzentwurfs der Bundesregierung für das Mietrechts- reformgesetz.
Danach sollte mit der Übergangsvorschrift aus Gründen des Vertrau- ensschutzes sichergestellt werden, daß vor dem Inkrafttreten des Mietrechtsreformgesetzes wirksam vereinbarte Kündigungsfristen auch zukünftig wirksam bleiben. Dazu gehört auch eine formular- vertragliche Vereinbarung, in der die früheren - teilweise abänder- baren - gesetzlichen Kündigungsfristen wiedergegeben wurden.
Der Rechtsausschuß des Bundestages hat der im Gesetzentwurf der Bundesregierung vorgeschlagenen Fassung der Übergangsvor- schrift ohne Änderungsempfehlung zugestimmt.
Seinen von der Gesetzesbegründung der Bundesregierung abweichenden Ausführungen, die in einer Formularklausel wieder- gegebenen früheren gesetzlichen Kündigungsfristen sollten nur dann fortgelten, wenn sich aus dem Vertragskontext oder sonstigen Umständen bei Vertragsschluß ergebe, daß die Parteien ein besonderes Interesse an der Geltung der damaligen gesetzlichen Fristen gehabt und gerade vor diesem Hintergrund diese Regelung "ganz bewußt" getroffen hätten, ist der BGH nicht gefolgt.
Er hat darauf hingewiesen, daß eine solche Einschränkung des Artikel 229 § 3 Abs. 10 EGBGB in der Formulierung der Über- gangsvorschrift keinen Ausdruck gefunden habe. Auch lasse es die Zielsetzung der Mietrechtsreform, durch ein verständliches und transparentes Mietrecht dem Rechtsfrieden zu dienen, nicht als sachgerecht erscheinen, die Frist für die Kündigung eines vor dem 1. September 2001 abgeschlossenen Mietvertrages durch den Mieter von einer konfliktträchtigen und wenig aussichtsreichen Auf- klärung des Ablaufs der viele Jahre zurückliegenden Vertragsver- handlungen abhängig zu machen.
Der Mieter werde auch nicht unzumutbar belastet, wenn er grund- sätzlich an den vertraglich vereinbarten Kündigungsfristen festge- halten werde. Er habe in den vom Rechtsausschuß angesprochenen Härtefällen - wie schon nach bisherigem Recht - einen Anspruch auf vorzeitige Aufhebung des Mietvertrages, wenn er einen Ersatzmieter stelle.
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